Eine Nase für gute Geschichten

Beobachtung der Programmkommission

«Schweiz aktuell» hat im August über einen blutigen Raubmord berichtet. Die Tat liegt 115 Jahre zurück. Der Getötete: ein Einsiedler, über siebzigjährig, wohnhaft in einer Grotte aus Sandstein, genannt Magdalena-Einsiedelei, in Räsch bei Düdingen FR. Der Täter trug fünf Franken davon – und 36 Jahre Zuchthaus.

Diese grausige Episode ist eine von dutzenden Geschichten und Fakten, die die Redaktion von «Schweiz aktuell» in der ersten Augustwoche in eine eindrückliche Sommerserie verpackt hat. «Am Fluss», so der simple Titel der fünfteiligen Sendereihe. Berichtet wurde von Orten entlang der Saane, jenem Fluss, der sich im Wallis formt und sich knapp 130 Kilometer lang durch vier Kantone vorarbeitet, sich in Laupen die Sense einverleibt und später in der Aare verschwindet. Die Saane steht für viele sinnbildlich für die Grenze zwischen Deutschschweiz und Suisse romande, für den «Röstigraben». Während einiger Kilometer stimmt dies tatsächlich: Wo die Saane die Stadt Freiburg gegen Norden verlässt, spricht man links Französisch, rechts Deutsch. That’s it. Ansonsten ist das mit der trennenden Saane ein narratives Konstrukt, nicht viel mehr als eine knackige Story. Der Fluss selbst erzählt realere Geschichten.

Einige dieser Geschichten haben mit dem Klima zu tun, wie die Serie in zahlreichen Live-Schaltungen, Interviews und vorproduzierten Beiträgen aufzeigt: Ins Freiburgische Greyerzerland kamen früher Lachse aus dem Nordatlantik zum Laichen; heute schwimmt schon längst kein Lachs mehr bis in die Saane. Die einheimischen Fische mit dem schönen Namen «Nase» drohen ebenfalls zu verschwinden. Die Saane wird zur Stromproduktion an mehreren Orten gestaut – unterhalb einer Staumauer kann der Wasserstand (im trockenen Sommer 2022 ohnehin tief) öfters prekär werden für Wassertiere und Pflanzen. Optimales Terrain also für trockene politische Diskussionen. Die Serie «Am Fluss» scheute diese Diskussionen nicht, dennoch kam sie locker und unterhaltsam daher.

Weder Gräben noch Pegelschwankungen gibt es in der Programmkommission der SRG Bern Freiburg Wallis: Sie wertet die Sommerserie fast durchwegs als gelungen. Die Region erhielt innert einer Woche mehr als 100 Minuten Sendezeit im SRF-Vorabendprogramm. Beste Werbung. Und das mit dem Raubmord wegen fünf Franken? Das ist zum Glück sehr, sehr lange her.

Marc Kipfer, Mitglied der Programmkommission

Bern, 20. September 2022

SCHWEIZ AKTUELL | «Am Fluss - Sendung vom 1.8.2022»

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